Sportlerportrait 01/2024 – Julianna Dora Bocska (SG Essen)

Dreimalige JEM -Teilnahme soll noch nicht das Ende sein

Text/Fotos: Peter Kuhne

 

2022 Otopeni/Rumänien, 2023 Belgrad/Serbien, 2024 Vilnius/Lettland. Das waren die Austragungsorte der letzten drei Junioren-Europameisterschaften im Beckenschwimmen. An allen drei hat Julianna Dora Bocska von der SG Essen teilgenommen. Doch damit nicht genug, von zwei dieser drei kontinentalen Titelkämpfe brachte sie Medaillen mit nach Hause. Eine beeindruckende Bilanz für die 18-jährige Freistilspezialistin.

Geboren wurde Julianna, wie sie allgemein gerufen wird, am 06.06.2006 in Budapest (Ungarn). Das war ein Dienstag. Das Besondere am Datum 06.06.06 war, dass es sich auf 666 zusammenkürzen lässt, und das gilt als die Teufelszahl. Die übte damals eine enorme Anziehungskraft auf Hochzeitspaare, Touristen und Heavy-Metal-Fans aus. So waren die Standesämter in den deutschen Landen voll ausgebucht. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die ebenfalls an einem 06.06. geboren wurden, gehören der ehemalige schwedische Tennisspieler Björn Borg (Jahrgang 1956), der unter anderem in den Jahren 1976 bis 1980 fünfmal in Folge das Turnier in Wimbledon gewann und der deutsche Schriftsteller Thomas Mann (Jahrgang 1875), der 1929 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

 

Nach Deutschland kam Julianna im Alter von zehn Jahren. Grund war, dass ihr Vater in Deutschland Arbeit gefunden hatte. „Es war am Anfang geplant, nur zwei Jahre in Deutschland zu bleiben, aber dann sind wir doch auf Dauer hier geblieben. Viele Mitglieder meiner Familie leben noch in Ungarn. Ich selbst kann sie aufgrund von Trainingslagern nicht sehr oft besuchen. In den Sommerferien machen wir aber immer dort Urlaub am Plattensee“, erzählt uns Julianna. Gern verrät sie uns ihr Lebensmotto. „Ich glaube daran, wer hart arbeitet, wird belohnt. Das trifft auf mich besonders für den schwimmerischen Teil zu“, sagt Julianna. Früher hatte sie als Talisman oder Glücksbringer ein Kuscheltier. „Jetzt habe ich von meiner Trainerin einen Glücksstein bekommen. Da steht drauf: Du schaffst das. Den habe ich immer in meiner Tasche und ich glaube auch, dass er mir Glück bringt“, so Julianna. Sie besucht das Helmholtz-Gymnasium in Essen, wo sie im nächsten Jahr ihr Abitur machen will. Für danach hat sie noch keine konkreten Pläne, will aber auf jeden Fall studieren. Es stellt sich hier noch die Frage, wo und was. Ins Auge gefasst hat sie die Richtungen Management oder Business. Interessiert ist Julianna auch an Psychologie. Seit 2019 wohnt sie im Tanz- und Sportinternat in Essen, das in unmittelbarer Nähe zur Schule und dem Rüttenscheider Schwimmzentrum liegt. Ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder wohnen in Mülheim an der Ruhr. „Es war früher immer umständlich zum Frühtraining von Mülheim nach Essen zu fahren. Und auch abends, wenn das Training immer später endete, war es anstrengend nach Hause zu kommen. Das Internat macht das alles viel einfacher. Ich fühle mich dort auch sehr wohl. Aktuell sind wir da mit sieben oder acht Schwimmer*innen“, erklärt Julianna. Schwimmsport betreibt Julianna seit sie sechs Jahre alt war. Ihr erster Verein war der TV Ratingen. „Nach der Grundschule stellte sich die Frage, auf welche weiterführende Schule ich gehen sollte. Dazu wurde mir auch klar, dass ich Schwimmen als Leistungssport machen wollte. Ich habe mir dann den Standort Essen angeguckt. Mir gefiel dort alles so gut, dass ich dann zur SG Essen gegangen bin“, sagt Julianna. Ihr Stammverein ist der Polizei SV Essen. Sie gehört der Bundesstützpunkt (BSP) Gruppe der SG Essen an und wird aktuell von Nicole Endruschat trainiert. „Als ich noch klein war, habe ich in Mülheim bei einem kleinen Verein sehr gern Fußball gespielt. Ansonsten habe ich noch Leichtathletik, in der Hauptsache Sprint und Weitsprung, gemacht. Das Schwimmen hat mir dann aber am meisten Spaß gemacht“, erzählt sie uns. Was sie nicht als Sport machen würde, wäre Kampfsport und auch Wintersport ist nichts für sie, da sie die Kälte nicht mag. Julianna hat noch einen jüngeren Bruder (15), der im Verein Fußball spielt. Auch ihr Vater hat Fußball gespielt, während ihre Mutter auch Schwimmerin war und von da zum Triathlon gewechselt ist. Juliannas sportliches Vorbild ist die ungarische Weltklasseschwimmerin Katinka Hosszù. „Katinka hat bei uns zu Hause wegen unserer ungarischen Wurzeln bei Gesprächen immer eine Rolle gespielt“, so Julianna. Überhaupt verfolgt die Familie die ungarische Schwimmszene aus heimatlicher Verbundenheit intensiv. Persönlich kennengelernt hat Julianna von den ungarischen Topschwimmerinnen einmal Zsuzsanna Jakabos, als diese bei einer DMS für den SV Würzburg geschwommen ist. „Ich habe mit Zsuzsanna geredet und auch mit ihr ein gemeinsames Foto gemacht. Das war ganz cool“, erinnert sich Julianna. Mit der ungarischen Sprache hat Julianna kein Problem. Sie kann perfekt Ungarisch sprechen, lesen und schreiben.

Julianna ist bekannt als Spezialistin für die kurzen Freistilstrecken. „Ich schwimme mittlerweile die 50 m, 100 m und 200 m Freistil. Die liegen mir am meisten. Bei Deutschen Kurzbahnmeisterschaften und der DMS schwimme ich noch gerne die 100 m Lagen, weil die auch kurz sind. Die langen Strecken mag ich nicht und auch Freiwasser ist nichts für mich. Ich gehe zwar gerne im See oder Meer schwimmen, im Wettkampf mag ich es aber gar nicht, wenn alle auf einem Haufen schwimmen. Ich brauche einfach meine eigene Bahn. Was ich außerdem nicht mag, ist Rücken“, sagt Julianna. Auf den ersten Blick verwundert ihre Vorliebe für Freistil allerdings ein wenig. Ihre ersten Erfolge bei NRW- und DSV-Jahrgangsmeisterschaften verzeichnete sie nämlich auf den Brust- und Schmetterlingsstrecken. Auf NRW-Ebene wurde sie 2018 Jahrgangsmeisterin über alle drei Bruststrecken und 2019 gewann sie neben den 50 m Brust noch die Jahrgangstitel über 50 m und 100 m Schmetterling. Ihren ersten Titel bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften gewann sie 2019 ebenfalls über 50 m Brust. Ihre Erfolge auf den kurzen Freistilstrecken kamen erst anschließend dazu. Ihre Bilanz bei NRW-Jahrgangsmeisterschaften beläuft sich auf 18 Titel. Bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften gewann sie seit 2019 neun Medaillen (5 Gold, 4 Silber). Bei offenen Deutschen Meisterschaften stand sie bislang elfmal in einem A-Finale, wobei ihre drei vierten Plätze über 50 m und 100 m Freistil bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften 2022 und 2023 ihre besten Platzierungen waren.

Vom Deutschen Schwimm-Verband wurde Julianna Dora Bocska dreimal für Junioren-Europameisterschaften nominiert. „2022 in Otopeni hatte ich mich eigentlich für das Einzelrennen über 50 m Freistil qualifiziert. Leider bin ich aber schon krank nach Rumänien angereist. Wir hatten im Team gehofft, dass ich mich noch fange, leider hat es aber nicht gereicht. Ich bin dann nur den Vorlauf in der Staffel über 4x100m Freistil geschwommen und wir haben uns für das Finale qualifiziert. Dort haben wir die Bronzemedaille gewonnen, sodass ich ebenfalls eine Medaille erhalten habe. Für den Rest der Woche in Otopeni war ich dann außer Gefecht gesetzt“, erinnert sich Julianna. Ein Jahr später in Belgrad stand sie ebenfalls im DSV-Aufgebot und hatte dort schon ein umfangreicheres Wettkampfprogramm als ein Jahr zuvor. Leider war sie in Serbien aber auch aufgrund Krankheit geschwächt. Im Einzelrennen über 50 m Freistil schaffte sie es ins Halbfinale, wo sie Elfte wurde. Als Zweite der Semifinals zog sie ins Finale über 100 m Freistil ein. Dort belegte sie 00:56,13 Minuten den achten Platz. Mit der 4x100m Freistilstaffel der Frauen belegte Julianna den vierten Platz. Die gleiche Platzierung erreichte sie mit der 4x100m Freistil-Mixedstaffel. Mit der 4x100m Lagenstaffel der Frauen schwamm sie auf Rang sieben. Im Vorlauf über 4x200m Freistil der Frauen verhalf sie dem deutschen Quartett mit der schnellsten Vorlaufzeit von 08:10,96 Minuten ins Finale, wo man den fünften Platz belegte.

Ihre dritte JEM 2024 in Vilnius/Lettland war dann für Julianna die erfolgreichste. Mit drei Medaillen (1 Silber, 2 Bronze) kehrte sie nach Essen zurück. Mit der 4x100m Freistilstaffel der Frauen gewann sie Bronze in 03:41,60 Minuten. Ebenfalls Bronze sicherte sie sich mit der 4x200m Freistilstaffel der Frauen in 08:04,60 Minuten. Ihr größter Erfolg war dann der Gewinn der Silbermedaille mit der 4x100m Freistil-Mixedstaffel in 03:29,83 Minuten, den sie als Schlussschwimmerin des Quartetts unter Dach und Fach brachte. Mit der 4x100m Lagenstaffel der Frauen schwamm sie in 04:06,72 Minuten auf den vierten Rang. In ihrem Einzelrennen über 50 m Freistil stand sie im Finale, das sie in 00:25,40 Minuten als Fünfte beendete. Die Staffelerfolge bei der JEM in Vilnius bezeichnet Julianna auch als eins ihrer bisherigen schönsten Erlebnisse im Schwimmsport. „Ich kann mich nicht entscheiden, was dort mein persönliches Highlight war. Entweder die 4x100m Freistil der Damen oder die 4x100m Freistil-Mixedstaffel. Bei den Damen war es so, dass wir im Vorjahr mit einer starken Vorlaufleistung als Erste ins Finale gekommen sind, dann aber als Vierte aus den Medaillenrängen geschwommen sind, was sehr ärgerlich war. Dieses Jahr waren wir wieder nach dem Vorlauf vorne dabei. Vor dem Finale hatten wir wieder Angst, dass wir ohne Medaillen blieben. Wir waren alle sehr nervös. Dass es dann am Ende der dritte Platz wurde, war schon super toll. Bei der Mixedstaffel schwammen wir im Finale auf der Außenbahn auf Bahn eins. Ich war die Schlussschwimmerin und ich war wieder total nervös. Am Ende die Silbermedaille gewonnen zu haben, war dann einfach nur super“, erinnert sich Julianna. Als weiteren ihrer schönsten Erfolge bezeichnet sie ihre erste Goldmedaille bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften 2019 über 50 m Brust.

Juliannas weiteren sportlichen Ziele sind, dass sie an internationalen Meisterschaften im offenen Bereich teilnehmen kann. Dort will sie erste internationale Erfahrungen sammeln. Ansonsten wäre auch die Teilnahme an Olympischen Spielen ein Traum.

Aufgrund ihres Mangels an viel Freizeit bleibt nicht viel Zeit für Hobbys. „In der Woche bin ich im Internat, dazu kommt Schwimmen und Schule. Am Wochenende entspanne ich mich dann zu Hause und verbringe die Zeit mit meiner Familie. Manchmal gehe ich zu einem Fußballspiel meines Bruders. Gut ist aber auch einfach nur im Bett zu liegen und Filme und Serien zu schauen. Was wir auch gerne am Sonntag machen, ist Kochen. Entweder ich koche oder irgendein anderer. Dann setzen wir uns alle zusammen mittags an einen Tisch und essen gemeinsam. Mir persönlich gelingt am besten alles mit Nudeln. Manchmal wage ich mich aber auch an Kartoffeln und Fleisch. Was ich selber am liebsten esse, ist Sushi und Bowls. Dann mag ich liebend gerne Burger und um meine ungarischen Wurzeln nicht zu vergessen, natürlich Gulasch. Vegetarier werde ich wohl niemals werden“, schmunzelt Julianna. Glücklich machen kann man sie mit einem guten Essen. Ihre Lieblingsserie im Fernsehen läuft auf Netflix und heißt Gossip Girl, die von Teeny Mädchen in New York handelt. Ab und zu geht Julianna auch mal gerne ins Kino. Ihre Musikvorlieben drehen sich um das, was aktuell im Radio läuft. Ihr Radio aus dem Fenster werfen würde Julianna beim Song Flowers von Miley Cyrus. „Das wurde schon so oft im Radio rauf und runter gespielt, dass ich es nicht mehr hören kann“, sagt sie. Wohin sie gerne mal reisen würde, ist Bali und die Malediven. Der Ort. Wo sie sich am liebsten aufhält, ist aber in Ungarn der Plattensee, wo auch ihre Oma wohnt. Als Eigenschaften, die ihr noch fehlen, nennt sie Geduld. „Viele, die mich kennen und gegen mich schwimmen und beim Wettkampf erleben, so wie meine Trainerin sagt, Gelassenheit fehlt mir. Ich bin immer gestresst und muss irgendwas machen“, erklärt sie uns. Dinge, auf die sie nicht verzichten kann, sind Hygieneartikel und Essen. Gut verzichten könnte sie hingegen auf Schule, Hausaufgaben und ganz frühes Frühtraining. Die drei Dinge, die sie mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, wären ein Messer, Kaugummi, ein Kuscheltier und dann noch ihr heißgeliebtes Bodyspray, obwohl das dann schon vier Dinge sind. Wenn sie wiedergeboren würde, dann gerne als Schmetterling. „Das sind meine Lieblingstiere, die mochte ich schon immer. Vielleicht lege ich mir irgendwann einmal ein Schmetterlingstattoo zu“, gibt uns Julianna zu verstehen. Ihre Wünsche ans Leben sind Gesundheit und Lebensfreude. Und Lebensfreude strahlt Julianna auch aus. Das war eins der positiven Merkmale, das ich aus dem Treffen mit der sympathischen Schwimmerin aus Essen mitgenommen habe.

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