Bäder und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

Nach Angaben von Statista gingen im Jahr 2020, also in einem Jahr, in dem Bäder durch die Coronapandemie nur eingeschränkt öffnen konnten, rund 8,88 Mio. Menschen in ihrer Freizeit mehrmals im Monat Schwimmen. Rund 19,71 Mio. Personen ab 14 Jahren gaben an, mindestens einmal im Monat schwimmen zu gehen. Rein rechnerisch wären dies in dieser Altersklasse für NRW rd. 4,3 Mio. Bürger*innen. Diese verteilen sich gleichmäßig über die Altersgruppen. Ebenso nannten 27,9 % der Bevölkerung „Schwimmen“ bei der Frage nach der beliebtesten Freizeitaktivität.[1]

Wenn auch der ein oder andere hierbei im Freigewässer seinem Hobby nachgeht, so wird der große Teil Frei- und Hallenbäder aufsuchen. Daraus lässt sich ableiten, dass für rund 1/3 der Bevölkerung Bäder ein wichtiger Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge und Teil dessen sind, was eine Kommune ausmacht.

Ergänzend zu dieser subjektiven Perspektive kann man auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung eines Bades betrachten. Bäder sind Orte der „Gleichheit“, die Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen aufheben und diese zusammenführen können. Am treffendsten fasst dies wohl folgendes Statement zusammen: „Im Freibad begegnen sich wie nirgendwo sonst Menschen unterschiedlichster Herkunft und Weltanschauung. Egal, ob SUV oder klappriges Fahrrad – beides bleibt beim Baden vor der Tür. In Badekleidung sind wir alle gleich.“[2] 

Ein öffentliches Bad ist ein „Kulturgut“ und immer auch ein wichtiger Standortvorteil für eine Stadt oder Gemeinde. Bäder sind eben nicht nur ein Kostenfaktor, sondern sie übernehmen soziale, kommunikative und gesundheitspräventive Aufgaben.[3] Ein solches (Frei-) Bad sollte mit derselben Selbstverständlichkeit zur Verfügung stehen wie andere Infrastruktureinrichtungen auch.

Diese grundsätzlich anerkannte Bedeutung der Bäder findet sich in den tatsächlichen Entscheidungen der Kommunen nicht umfassend wieder. Diskussionen zu Bädererhalt, Sanierung, Schließung oder Neubau werden häufig vorrangig von ökonomischen Kennzahlen dominiert oder der abstrakten Berechnung nötiger Wasserflächen auf Grundlage von Sportentwicklungsplanungen. Dass diese Betrachtung aus Sicht der Bevölkerung nicht immer zielführend ist, zeigt sich vor allem in den dann häufig geführten Diskussionen zu geplanten Bäderschließungen, an denen sich regelmäßig Menschen beteiligen, die selbst gar keine aktiven Schwimmer sind. Und immer öfter sind diese Personen auch bereit, sich im Bad zu engagieren, was zu einer Vielzahl von sog. Bürgerbädern und der Gründung eines Netzwerkes Bürgerbäder geführt hat.[4]

Diese Entwicklung scheint aber eigentlich Ergebnis einer nicht immer bedarfsgerechten Bäderinfrastruktur bzw. Bäderpolitik zu sein. Um Schwimmen als Kulturgut zu erhalten ist der Aufbau, Erhalt und vor allem der Betrieb einer angemessenen Bäderinfrastruktur auch außerhalb des Schulsportes unabdingbar. Zur Frage der vorhandenen Infrastruktur bzw. deren Entwicklung hat es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Erhebungen gegeben, die im Ergebnis einen deutlichen Rückgang der Bäderzahlen feststellen.[5]

 

Ausgehend von der letzten Sportstättenstatistik 2002 ist über das Projekt Bäderleben bis 2021 für NRW ein Rückgang der für die Schwimmausbildung und den Schwimmsport grundsätzlich geeigneten Bäder von 43 % (614 Frei-, Hallen- und Kombibäder) festzustellen[6]. Wenn auch diese Zahl sich nur auf die Bäder insgesamt bezieht und noch keine Aussage zur für die Schwimmausbildung geeigneten Wasserfläche zulässt, ist der Trend eindeutig und wirkt limitierend auf die für die Schwimmausbildung nötigen Wasserzeiten.

Verschärft wird diese Entwicklung durch die jüngste Kommunenstudie der Unternehmensberatung EY, die zu dem Ergebnis kam, dass 17% der Kommunen aktuell die Schließung oder den eingeschränkten Betrieb von Bädern planen.[7]

Nicht seriös bewertbar ist der aktuelle Zustand der noch vorhandenen Bäder. Nach unserer Kenntnis gibt es nur für wenige Bäder eine zuverlässige Bewertung des notwendigen Erhaltungs- und Sanierungsbedarfs. Eine landesweite Erhebung und Zusammenführung wären zwar idealtypisch wünschenswert aber mit enormem finanziellem Aufwand verbunden. Dem könnte man durch interkommunale Zusammenarbeit in den Regionen begegnen. Dabei könnten nicht nur Daten zu Erhaltungs- und Sanierungsbedarf ausgetauscht, sondern auch eine Art regionaler Bäderplan erstellt und eine dauerhafte gegenseitige Beratung etabliert werden.

Auch wäre es sinnvoll einen strukturierten Informationsaustausch mit anderen, auch nicht-kommunalen Badbetreibern und Nutzergruppen zu etablieren. Durch einen kontinuierlichen Vergleich von Prozessen und Methoden könnte eine Art Benchmarking eingeführt werden, indem „Best Practices“ identifiziert und auf die eigenen Belange angepasst und umgesetzt werden.

Der Nutzerkreis kommunaler Bäder beschränkt sich nicht auf die Grenzen einer Kommune. Dies sollte auch für die Betriebsplanung von Bädern gelten. Im Fokus sollten dabei nicht die reinen Nutzerzahlen und unmittelbaren finanziellen Kennziffern stehen, sondern eine Fokussierung auf den Wert, den ein Bad für die Gesellschaft erbringt. Gerade in den Bereichen Integration und Inklusion sowie Gesundheitserhaltung und Freizeitangebot für Ältere sehen wir in einer funktionierenden Bäderstruktur einen großen positiven Beitrag.

Bäderschließungen sind zu vermeiden. Zielsetzung sollte immer der Erhalt und die Modernisierung sein. Hierbei sollten langfristige Finanz- und Investitionspläne erstellt werden, welche die regelmäßige Investition in den Bestand verpflichtend vorgeben, so dass Kippunkte, welche den Erhalt der Bäder nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen, nicht eintreten. Dies sollte unterstützt werden durch einen Bäderplan NRW für den Neubau/Ausbau und den Betrieb von Bädern.

Neue Wasserflächen zu erstellen ist eine eher langfristige Option. Kurzfristig sind die tatsächlichen Belegungen der Bäder zu prüfen und ggfs. vorhandene Kapazitäten für die Schwimmausbildung zu priorisieren. Wichtig ist, dass Wasserfläche für die Schwimmausbildung auch für Vereine kostenfrei bereitgestellt wird.


[1] Horst Hübner & Oliver Wulf (2016), „Bausteine für eine zeitgemäße und zukunftsfähige  Sportstätteninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen“ /

DGfdB; DOSB (2019) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1134111

Projekt Bäderleben (2020), https://baederleben.de/

[2] Sportstättenstatistik 2002 (s. 12 – NRW 1.401 Frei-, Hallen- und Kombibäder)

https://cdn.dosb.de/alter_Datenbestand/fm-dosb/arbeitsfelder/umwelt-sportstaetten/Veroeffentlichungen/Sportst_ttenstatistik.pdf  

Projekt Bäderleben 2021 = 787 Frei-, Hallen- und Kombibäder  https://baederleben.de     

[4] Dominique Bielmeier, Sächsische Zeitung

[5] Uwe Lübking, Beigeordneter für Recht, Soziales, Bildung und Sport Deutscher Städte- und Gemeindebund, Statement Kommunale Schwimmbäder – Unverzichtbarer Bestandteil der Daseinsvorsorge, 2016

[6] Forum Wohnen und Stadtentwicklung 6/214

Schwimmausbildung

Schon vor den Einschränkungen der Pandemie verließen jedes Jahr rd. 110.000 Kinder in NRW die Grundschule ohne richtig Schwimmen zu können [1]. Für die vierten Klassen des Schuljahrgang 2020/2021 (rd. 152.000 Kinder)[2] ist vom fast vollständigen Wegfall des Schwimmunterrichts auszugehen. Gleiches gilt für die Angebote der Vereine und privaten Schwimmschulen, die nur rudimentär arbeiten konnten. Somit kommt man zu einem „Aufwuchs“ von Nichtschwimmern von rd. 42.000 Kindern. Wendet man darauf den in der Schwimmausbildung üblichen Betreuungsschlüssel von 1:6 an, wären allein 7.000 Angebote mehr nötig, um auf den Stand vor Corona zurückzufinden. Abschließend kann dies aber nicht Ziel sein, da auch dieses Niveau eine immer noch zu hohe Anzahl von Kindern aufweist, die nicht sicher schwimmen können.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen ist es nötig, die Anzahl von Schwimmkursen bzw. Schwimmstunden in der Schule als auch in den Vereinen zu steigern. Diese wird limitiert durch die Anzahl vorhandener Ausbilder und der zur Verfügung stehenden Wasserfläche.

Für den Aufbau eines landesweiten Pools an Schwimmausbildern wurde über den Aktionsplan Schwimmen des Landes NRW die Idee der Schwimmassistenzen entwickelt. Ziel dieser Pools ist es, qualifizierte Personen zu bündeln, die in den Schulen den Schwimmunterricht begleiten und die Lehrkräfte unterstützen.

Gemeinsam mit den schwimmausbildenden Verbänden wurden seitens der Landessstelle für den Schulsport einheitliche Mindeststandards festgelegt und Ausbildungen der Verbände als für diese Pools geeignet klassifiziert. Somit ist grundsätzlich eine flächendeckende Ausbildung interessierter Personen möglich. Da diese Ausbildung aber nicht kostenfrei erfolgen kann, ist eine finanzielle Unterstützung der Auszubildenden und/oder der ausbildenden Organisationen zu empfehlen.

Die Ferienschwimmkurse („NRW kann Schwimmen“) sollten ausgeweitet werden, so dass sie nicht nur in den Ferien stattfinden können. Die Vorgaben des Programms für die Vereine sind zu überdenken, da sie, insbesondere wenn die Wasserflächen den Vereinen nicht kostenfrei bereitgestellt werden, dazu führen können, dass die Kurse für die Vereine defizitär sind.

Im Schulsport sollte der Schwimmunterricht auch in den Grundschulen zum Pflichtprogramm gehören und für jedes Kind eine Wasserzeit unter Anleitung von mind. 30 Minuten vorsehen. Um dies und den seitens der schwimmausbildenden Verbände idR empfohlenen Betreuungsschlüssel von 1:6 zu erreichen, ist die Einbindung (und entsprechende Finanzierung) der Schwimmassistenzen in den Schwimmunterricht der Schulen eine sinnvolle Option.

Ergänzend zu den Ausbildungen für die Schwimmassistenzen sollten die Lehrgangsangebote der schwimmausbildenden Verbände auch als Lehrerfortbildung anerkannt bzw. als dafür geeignet empfohlen werden.

Um bereits frühzeitig mit der Schwimmausbildung beginnen zu können, sind sowohl für die Mitarbeiter*innen von Kitas und im offenen Ganztag als auch die Eltern Qualifizierungsangebote zu entwickeln.

Um den Eltern die Auswahl an qualifizierten Schwimmausbildungen zu erleichtern, sind Mindeststandards für die Schwimmausbildung zu definieren die garantieren, dass die Ausbildung das Ziel des sicheren Schwimmens adäquat unterstützt.

Es sollte eine generelle Imagekampagne zur Bedeutung des sicheren Schwimmens auf den Weg gebracht werden. Im Fokus sollten hierbei die positiven Effekte stehen und weniger die Risiken des „nicht schwimmen können“.

 

[1] DLRG Studien Emnid und Forsa 2010, 2014, 2016

[2] Statistik-Telegramm Schulministerium NRW 04/20